20.02.2007
Leistung und Ethik: Nur scheinbar ein Paradox.
von Frédéric Kohler für “Success and Career”
Leistung und Ethik: Nur scheinbar ein Paradox.
Oftmals werden Leistung und Ethik fälschlicherweise als unvereinbar dargestellt. Doch diese zwei Begriffe widersprechen sich nur scheinbar. In der Tat ist Ethik ein Faktor von Effizienz und persönlichem Komfort und hat eben dadurch Hebelwirkung für die Leistung eines Unternehmens.
Man kann es nicht leugnen: Leistung ist zum Leitmotiv aller Unternehmen geworden. Ob als neoliberale Befürworter der Marktwirtschaft oder frisch bekehrte Unterstützer der nachhaltigen Entwicklung: gewinnorientierte Unternehmen haben keine Wahl, sie müssen immer mehr Leistung erbringen. Diese erwartete Leistung kann man folgendermassen grob skizzieren: “immer mehr und immer bessere Ergebnisse mit gleich vielen bzw. weniger Mitteln erbringen”. Im weltweiten Monopoly von Globalisierung und Konkurrenz geht es ums nackte Überleben. Wehe dem Verlierer.
Ob man diese Sachlage als positiv oder negativ empfindet: sie ist eine Tatsache, eine Gegebenheit des Paradigmas, in dem wir uns bewegen, auf die wir uns einstellen müssen.
Die Ära der Leistung
Ob man diese Sachlage als positiv oder negativ empfindet: sie ist eine Tatsache, eine Gegebenheit des Paradigmas, in dem wir uns bewegen, auf die wir uns einstellen müssen. In diesem Kontext wurden Kosten-
Diese Indikatoren werden meist durch Marktanteile, Rentabilität und Wachstumsraten ausgedrückt, seltener durch Attraktivität, Bekanntheitsgrad oder Mustergültigkeit. Doch das Image eines Unternehmens ist eine greifbare Komponente seiner globalen Leistung und ein wichtiger Faktor für seine Aufwertung. Alles, was diese Aufwertung bremsen könnte, sollte vermieden werden.
Leistungshindernisse
Hindernisse, die die Leistung eines Unternehmens bremsen, können einerseits firmenextern bestehen, wie zum Beispiel die Wirtschaftslage, Märkte, technologische Entwicklungen, Gesetzgebungen oder auch politische und soziale Veränderungen. Andererseits können diese Leistungshindernisse auch innerhalb der Firma liegen, wie zum Beispiel die Nutzung veralteter Arbeitsmittel, unpassende Stellenbesetzung (inkompetentes oder demotiviertes Personal), falsche oder nicht vorhandene Strategien sowie die Unfähigkeit, Entschlüsse zu treffen oder Veränderungen zu integrieren.
In solchen Fällen kann Ethik als ein Störfaktor empfunden werden, der die geplante Leistungssteigerung vereitelt, denn in der allgemeinen Wahrnehmung gehört sie beiden Kategorien gleichermassen an.
Für viele von uns hängt Ethik von dem externen Umfeld ab, von den Bereichen Kultur, Religion und Gesellschaft. Sie bestimmt allgemeine Verhaltensmuster im Unternehmen als Gegengewicht zu Prozessrationalisierung und Anwendung theoretischer Modelle, die die Anpassung an die harten Gesetze der Wirtschaft ermöglichen sollen.
Andererseits wirkt Ethik in individueller Weise auf jeden Menschen und gehört so zur zweiten Kategorie, zu den firmeninternen Hindernissen. Mitarbeite können sie als ein bewusstes oder unbewusstes Hemmnis für individuelle und gemeinsame Leistung empfinden, denn die persönliche Ethik des Mitarbeiters führt ihn dazu, sich in Bezug auf mögliche Optionen selbst zu beschränken und sich bei Entscheidungen einer Selbstzensur zu unterziehen.
Aufmerksamkeit für wirtschaftliche und technologische Fortschritte sowie angewandte Forschung können die Auswirkung von externen Faktoren auf die Leistung begrenzen; Management von Kompetenzen, Projekten und Customer Relations sowie Qualitätssysteme tendieren dazu, den Einflussinterner Leistungshindernisse zu begrenzen. Wo steht in diesem Kontext die Ethik?
Ethik? Hörte ich richtig, Ethik???
Um die Frage zu beantworten, ob Ethik ein Leistungshindernis ist, muss der Begriff erst genau definiert werden, denn Ethik wird oft mit anderen Konzepten verwechselt.
Ethik ist nicht gleich Moral: Moral wird von übersinnlichen Prinzipien definiert, die für den, der sich darauf beruft, unumgänglich sind. In unseren westlichen Gesellschaften wurden diese Prinzipien von nah oder fern durch zwei Jahrtausende jüdisch-
Ethik ist nicht gleich Berufspflicht: Berufspflicht appelliert an Gehorsam gegenüber Gesetzen, Ordnungen und Gepflogenheiten. Berufspflicht ist eben Pflicht. Ethik ist wiederum mehr und weniger als das.
Ethik ist auch nicht gleich Tugend: traditionelle Tugenden sind z. B. Selbstlosigkeit, Vorsicht, Mut, Mässigung und Gerechtigkeit. Jede Tugend kann mit sinnbildhaft passenden Verhaltensmustern assoziiert werden. Tugenden werden im Unternehmen oftmals als Werte abgewandelt, doch Ethik ist mehr als blosser Respekt für Werte.
Im wirtschaftlichen Kontext könnte man das Konzept wie folgt definieren: “Ethik ist die Fähigkeit, in einer gewissen Lage den richtigen und effizienten Entschluss zu fassen bei gleichzeitiger Rücksichtnahme auf die Interessen der Geschäftspartner”. Ethik steht also im Zentrum des Dreiecks um Moral, Berufspflicht und Tugend. Diese Überschneidung kann in gewissen Situationen als potentielle Lösung eingesetzt werden: dank der Ethik kann man Szenarien oder Simulationen der Konsequenzen von in heiklen Situationen gefassten Entscheidungen erstellen und so eine permanente, objektive Entscheidungslinie erstellen, ohne die persönliche Verantwortung des Entscheidungsträgers in den Hintergrund zu rücken.
Deshalb ist-
Hebelwirkung der Ethik für Leistungssteigerung
Ethik ist sogar eine berufliche Schlüsselkompetenz für Entscheidungsträger. Die Fähigkeit, heikle Situationen zu erkennen, Entscheidungsmechanismen zu verstehen und Managementtätigkeiten kohärent auszuüben, gehört zu den Werkzeugen, die eine Person in Führungsposition bei jeder Entscheidung anwendet.
Das Identifizieren ethisch riskanter Situationen und das Vermeiden derselben durch eine klare ethische Charta oder eine Liste von Verhaltensregeln gestatten es, mit dem “ethischen Stress'” der Mitarbeiter besser umzugehen.
Ethik verleiht jeder beruflichen Tätigkeit einen Sinn, sie ist Teil des Managements durch Werte und Beispielsetzung. Ethik wird zum Hilfsmittel für Entscheidungen. In einer komplexen Umwelt mit zunehmend hohen Anforderungen leistet sie einen Beitrag zum moralischen Komfort der Entscheidungsträger. Manager versuchen oft, der gefürchteten Subjektivität in Entscheidungssituationen durch Passivität zu entgehen. Angewandte Ethik nimmt ihnen einen Teil dieser Subjektivität ab.
Ethik fördert das autonome, selbständige Handeln der Mitarbeiter, denn sie gibt ihnen Anhaltspunkte und kreiert Vertrauensverhältnisse: dadurch fördert sie individuelle Leistung. Sie ist also ein Hebel, den das Unternehmen einsetzen kann, um seine gesamte Leistung zu verbessern.
Folglich wird das Unternehmen versuchen, diese Schlüsselkompetenz zu erwerben und weiterzuentwickeln. Ethik kann einerseits als neues Auswahlkriterium bei der Einstellung eingesetzt werden, andererseits als Managementmethode in der Ausbildung des Personals.
Ethik als Auswahlkriterium bei der Einstellung!
Bei der Suche nach jungen Absolventen höherer Schulen sollten sich Unternehmen darauf konzentrieren, die ethischen Kompetenzen ihrer Bewerber zu untersuchen. Mithilfe von Hinweisen wie Berufserfahrung, aber auch gesellschaftliche, sportliche oder kulturelle Tätigkeiten des jeweiligen Bewerbers kann der Arbeitgeber versuchen, dessen ethisches Potential einzuschätzen, das heisst, die Fähigkeit, in komplexen und sich wandelnden Umgebungen den besten Entschluss zu fassen.
Der Lebenslauf, das Bewerbungsschreiben und vor allem das Bewerbungsgespräch erlauben es, diese Fähigkeit beim Bewerber zu erkennen. Hinausgehend über seine Ausbildung und seine Zukunftsvorstellungen muss der Bewerber beweisen, dass seine ethischen Vorstellungen zum Arbeitgeber passen. Man bewirbt sich also nicht in der gleichen Weise bei WWF, TCS, bei Microsoft oder bei BNP Paribas.
Von der anderen Seite gesehen kann man sich fragen, welche Kompetenz der Arbeitgeber selbst beim Auswahlverfahren einsetzen wird: Seine Intuition? Seinen Einfluss? Seine Technik? Natürlich nicht: es ist wiederum seine persönliche Ethik, die ihm die richtige Entscheidung erlauben wird.
Ethik als Herausforderung bei der Managementweiterbildung
Unternehmen begnügen sich nicht damit, junge Absolventen mit hohem ethischen Potential einzustellen: sie bemühen sich auch, diese Fähigkeit auf allen Ebenen durch Weiterbildung zu entwickeln.
Wodurch unterscheidet sich ein Leader von einem “einfachen” Manager? Er hat einen zukunftsorientierten Blick, er kann in schwierigen Lagen Entscheidungen treffen, er hat die Gabe, um sich herum Energien sammeln und sich an verschiedenste berufliche Gegebenheiten anzupassen. Kurz gesagt, er unterscheidet sich durch eine starke persönliche Ethik Leadership ist ein Faktor nachhaltiger Entwicklung für ein Unternehmen. Es ist also nicht erstaunlich, dass Unternehmen Management durch Leadership ersetzen wollen. Seit einigen Monaten werden Ausbildungen in “Management durch Ethik” angeboten, und sie stossen auf wachsende Zahlen von Interessenten.
So hat die Ethik innerhalb einiger Jahre ihren Status geändert, ist vom Luxus (“nice to have”) zur Voraussetzung (“mandatory”) für Führungskräfte von heute und morgen geworden und zu einem Faktor individueller Leistung und persönlichen Erfolgs.
Frédéric Kohler ist Trainees & Training Manager bei BNP Paribas
Success & Career ist eine schweizerische Karriereberatung und Herausgeber des auflagestärksten Karriereführers in der Schweiz. Neben dem Kernbereich des Unternehmens, der Hilfestellung in Bewerbungs-