20.08.2007
Berufskodex für die Weiterbildung
von Klaus Dannenberg
Berufskodex für die Weiterbildung
Zur Sicherung einer qualitäts- und werteorientierten Weiterbildung wurde bereits in den 1990er Jahren von Seiten der Weiterbildungsanbieter in Zusammenarbeit mit Juristen, Politikern, Theologen und Institutionen der »Berufskodex für die Weiterbildung« erstellt. Dieser Kodex bietet Orientierungshilfe für das ethische Denken und Handeln aller in der Weiterbildung Tätigen und nimmt diese gleichermaßen in die Pflicht, die ethisch-moralische Qualität ihrer Leistungsangebote gegenüber den Nachfragern offen zu legen.
(Erschienen in: Grundlagen der Weiterbildung GdWZ 5/04)
WEITERBILDUNG – EIN MARKT FÜR JEDERMANN?
Der Markt der beruflichen Weiterbildung ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl methodischer, fachlicher und pädagogischer Ansätze, die je nach Zielsetzung des Trainings eingesetzt werden. Wenn wir uns den Weiterbildungsmarkt näher ansehen, finden wir einen Markt vor, der in den letzten Jahrzehnten mit einem Volumen von über sieben Milliarden Euro (2002) einen nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor darstellt.
Wer für seine Mitarbeiter die richtige Maßnahme mit den richtigen TrainerInnen suchte, fand vor wenigen Jahren noch ein riesiges Angebot vor, das nicht nur wegen seiner Unüberschaubarkeit und mangelnden Transparenz, sondern auch wegen des Fehlens geeigneter Vergleichskriterien Unsicherheiten bei der Auswahl des geeignetsten Anbieters aufkommen lassen musste.
Große Unternehmen haben sich aus naheliegenden Gründen für eigene Weiterbildungsabteilungen entschieden, für die sie sich ihre eigenen Weiterbildner »heranzogen«. Themen, welche die eigene Unternehmenskultur und Eigenart vermitteln sollen, sind dabei den eigenen TrainerInnen vorbehalten. Dass darüber hinaus auch externe TrainerInnen dazu geholt wurden, war bei vielen Unternehmen die logische Folge aus dem Erkennen der Gefahr, »im eigenen Saft zu (ver-)schmoren« oder auch manche Bereiche nicht bedienen zu können bzw. nicht mit den eigenen Weiterbildnern bedienen zu wollen.
Mittlere und kleine Unternehmen sind darauf angewiesen, sich entweder irgendwann für irgendjemanden zu entscheiden oder sich auf Empfehlungen von Kollegenfirmen zu verlassen. Letzteres war oft noch die sicherste Auswahlmethode, wenngleich auch dabei ein Restrisiko nicht ausgeschlossen werden kann; was für die Mitarbeiter der Firma A gut ist, musste nicht zwangsweise auch für die Mitarbeiter der Firma B den gewünschten Erfolg bringen.
Neben dem immensen Wachstum des Weiterbildungsmarktes in den 80er und 90er Jahren wirkt sich bis heute zunehmend verunsichernd aus, dass es für den Beruf des Weiterbildners keine staatlich geregelten Zugangsvoraussetzungen und keinen staatlich geregelten Abschluss gibt. Jedermann mit oder ohne Hochschulausbildung, ob Betriebswirt, Pädagoge, Kaufmann, Techniker oder Volkswirtin, Telefonistin, Abteilungsleiterin – jede und jeder kann sich Trainer nennen. Gebraucht werden nicht nur Hochschulabsolventen, sondern auch die Praktiker, denen die Bedingungen in der Wirtschaft vertraut sind.
Die Mindestvoraussetzungen an die fachliche Kompetenz des Trainers sind bisher nicht geregelt. Gemessen wird der Erfolg – wenn überhaupt – hinterher. Dann muss sich beweisen, ob man die richtige Entscheidung getroffen, den richtigen Trainer gefunden hat.
Nach welchen Kriterien wird der Erfolg gemessen? Bis heute sind die Möglichkeiten und Methoden der Erfolgsmessung von Weiterbildungsmaßnahmen in vielen Bereichen (z.B. Persönlichkeitsentwicklung) oft schwierig durchzuführen und teils fragwürdig. So werden viele Maßnahmen noch immer nur oberflächlich überprüft; oft ist allein die »Wohlfühl-Stimmung« der Teilnehmer das allein entscheidende Maß. Das ist – auch für Professionals der Branche – überaus unbefriedigend und nicht mehr zeitgemäß. Die Forderungen nach Transparenz, effektivem Praxistransfer und messbaren Ergebnissen der Weiterbildungsinvestitionen werden immer lauter.
Von einigen Verantwortlichen in den Unternehmen wird Weiterbildung immer noch als Entertainment für unzufriedene Mitarbeiter eingesetzt, um »Dampf raus zu lassen« oder »Mal was Nettes zu machen«. Nützt dann zwar nichts, schadet aber auch nicht, denkt man sich insgeheim. An wirklichen Veränderungen ist man kaum interessiert. Wer allerdings Weiterbildungsarbeit und Unternehmensentwicklung predigt, dann jedoch Entertainment lebt, muss sich nicht selten nach Nutzen und Nachhaltigkeit fragen lassen – und dies nicht nur von Auftraggebern und Teilnehmern, sondern immer häufiger auch von öffentlichen Institutionen und den Medien. So sind auch die – selbst ernannten – Gurus und Heilsbringer der Szene, deren Namen zeitweilig in aller Munde waren, kaum noch gefragt.
LEBEG – GESETZESVORHABEN IN DER WEITERBILDUNG
In Misskredit kam die Weiterbildung, als mehr oder weniger fragwürdige Veranstaltungen im Rahmen der »Psychowelle« öffentlich in die Kritik kamen. Ominöse Veranstalter und selbst ernannte Möchtegern-Psychologen traktierten ihre Teilnehmer mit nur schwer durchschaubaren Psychotricks oder entwürdigenden und gefährlichen »Spielregeln«, die sie zeitweilig oder dauerhaft von sich abhängig machten. Letztlich war es dann auch das Wirken dieser und ähnlich arbeitender Anbieter, die in den 90er Jahren die Politik auf den Plan gerufen hat.
So beschloss der deutsche Bundestag 1996 die Einsetzung einer Enquete-Kommission »So genannte Sekten und Psychogruppen«, angeregt u.a. auch durch Eingaben von 40000 Bürgerinnen und Bürgern an den Petitionsausschuss. Bereits im Mai 1997 brachte die Hansestadt Hamburg einen Gesetzentwurf zur »Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Anbietern und Hilfe Suchenden auf dem Gebiet der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe« ein. Durch den Regierungswechsel 1998 wurden die Bestrebungen nach einer gesetzlichen Regelung unterbrochen, um 2003 von der Bayerischen Staatsregierung mit dem »Entwurf zum Gesetz über Verträge zur Lebensbewältigungshilfe und Persönlichkeitsentwicklung« (LeBeG) wieder aufgenommen zu werden. Dieses Gesetz befindet sich derzeit in der weiteren Bearbeitung. Im Gegensatz zum ersten Entwurf der Hansestadt Hamburg finden wir hier eine Vorlage, die dem Weiterbildungsmarkt dienlich sein kann. Inwieweit der Entwurf – um damit unserem Thema »Werteorientierung« näher zu kommen Fragen der Ethik hinreichend berücksichtigt, muss derzeit noch offen bleiben.
»FORUM WERTEORIENTIERUNG« – EIN SELBSTREGULATIV DER WEITERBILDUNGSANBIETER
Ebenfalls in der zweiten Hälfte der 90er Jahre fanden sich elf Verbände, Vereine und Organisationen der Weiterbildungsanbieter und Methodenverbände zum Kooperationstreffen der Weiterbildungsorganisationen« zusammen, aus dem heraus dann im Jahre 2002 der»Dachverband der Weiterbildungsorganisationen e.V.« (DVWO) gegründet wurde.
Das erste konkrete Projekt des »Kooperationstreffens « war die Schaffung einer Institution, die sich mit dem Thema Ethik in der Weiterbildung befassen sollte. Herausragende Ziele sollten sein:
– die Qualität werteorientierter Arbeit in der Weiterbildung zu fördern,
– für mehr Transparenz im Markt einzutreten und
– ein Höchstmaß an Integrität der im Markt tätigen Anbieter zu sichern.
In dreijähriger Arbeit wurde, unter Mitarbeit von Juristen, Politikern, Theologen und Institutionen, die sich mit ethischen Fragestellungen befassen, der »Berufskodex für die Weiterbildung« geschaffen, der heute als ethische Grundlage für das Denken und Handeln der in der Weiterbildung tätigen Menschen gilt. Damit war eine Werteorientierungs-Basis sowohl für die Anbieter von Weiterbildung wie auch für die Nachfragerseite geschaffen.
Als Verwalter und Träger dieses Berufskodex wurde im Oktober 2000 dann das »Forum Werteorientierung in der Weiterbildung e.V.« (FWW) gegründet. Mit diesem Ethik-Forum fördern die angeschlossenen Weiterbildungsorganisationen den offenen Umgang aller am Markt Beteiligten, schützen die Entwicklung des Berufsstandes und weisen auf die Verantwortung und Verpflichtung des Berufsstandes gegenüber der Gesellschaft hin. Der »Berufskodex für die Weiterbildung« stellt, zusammen mit einer »Beschwerdestelle« und dem angegliederten »Schiedsgericht der Weiterbildungswirtschaft « die Basis für eine qualitäts- und werteorientierte Weiterbildung dar.
ETHIK IN DER WEITERBILDUNG – QUALITÄT, TRANSPARENZ, INTEGRITÄT UND NACHHALTIGKEIT
Das Prinzip des Lebenslangen Lernens führt immer mehr Menschen immer häufiger in Weiterbildungsmaßnahmen. Nicht nur Führungskräfte lassen sich inzwischen bei beruflichen Problemen und Herausforderungen durch Coaches und Berater helfen. In der Weiterbildung als Trainer, Berater oder Coach zu arbeiten bedeutet, mit dem Menschen und auch ›am Menschen‹ zu arbeiten. Dies erfordert neben Fach- und Methodenkenntnissen, soziale Kompetenz und eine Persönlichkeit, die von einem hohen Maß an Verantwortung geleitet wird. Um dem gerecht zu werden und gleichzeitig den im Grundgesetz verankerten Schutz der Menschenwürde zu wahren kann für die Handlungen des Weiterbildners nur ein Menschenbild bestimmend sein, das in der Werteordnung der Menschenrechte wurzelt. Das bedeutet für Weiterbildner die Anerkennung, dass jeder Mensch eine eigene, unantastbare Würde und unveräußerliche Rechte hat, unabhängig von seinen persönlichen Fähigkeiten. Er ist in seiner unverwechselbaren Persönlichkeit und Einmaligkeit wahrzunehmen. Das beinhaltet sein Recht auf mündige Selbstbestimmung und die Möglichkeit, dieses jederzeit auszuüben. So haben die Weiterbildenden ihre Teilnehmer in der Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung zu unterstützen, sich aber auch des Spannungsfeldes der Eigenverantwortung der Teilnehmenden und der Schutzpflicht des Weiterbildenden bewusst zu sein. Jeder Mensch ist es wert, in der Entwicklung seiner Potenziale gefördert zu werden. Das Menschenbild von Trainern, Beratern und Coaches wollte auf dem Menschenbild der Humanistischen Psychologie beruhen. Dieses beinhaltet neben Wertschätzung und Respekt auch die Beachtung der Fähigkeit des Menschen, bewusst erleben zu können und Bewusstheit über sich selbst zu erlangen. Hier sind vom Weiterbildner Sensibilität und Empathie verlangt, die es dem Teilnehmer einer Weiterbildungsmaßnahme gerade auch dann überlassen, zu wählen und zu entscheiden, ob er sein ›So-sei‹ überschreiten und sich wandeln kann und möchte. Hier wird deutlich, welches Gewicht einer werteorientierten Einstellung und Handlungsweise beizumessen ist und wie wichtig diese in ihrer Funktion als Schutz für den Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen vor psychischen und geistigen aber auch finanziellen Schäden sein können. Besonders in unserer Zeit des Primats von Shareholder Value und anderer, den Menschen hintanstellenden Entwicklungen sind die Gefahren nicht gering zu schätzen, dass Weiterbildner bestimmten Wünschen ihrer Auftraggeber nachgeben, die sie eigentlich nach ethischen Maßstäben ablehnen müssten. Der Weiterbildner befindet sich hier immer wieder in einem oft kaum lösbaren Dilemma.
ETHIK IN DER WEITERBILDUNG IST VERBRAUCHERSCHUTZ
Mit der Anerkennung des Berufskodex verpflichten sich die Weiterbildenden gegenüber Nachfragenden in ihren Leistungsangeboten zu den Prinzipien der Wahrheit, Klarheit und Vertraulichkeit. Weiterbildungsnachfrager und –teilnehmer haben das Recht, zu wissen, woran sie sind und was auf sie zukommt. Qualität – hier die ethisch-moralische, die sicher von der fachlich-methodischen Qualität nicht klar zu trennen ist – ist offen zu legen. Hierzu gehört die Information, mit welchen Methoden gearbeitet wird, genauso wie die Angabe von nachvollziehbaren Referenzen. Weiterbildner haben auch selbstkritisch die Grenzen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten zu benennen, um auch in dieser Hinsicht für mehr Transparenz im Markt einzutreten. Trainer, Berater und Coaches sind Teil dieser Gesellschaft, deren Entwicklungen sie Rechnung zu tragen haben, indem sie sich hinsichtlich ihrer Fach- und Methodenkompetenz weiterbilden. Unbedingte Voraussetzung zur Gewähr bester Leistungen in ihrer Arbeit ist jedoch genauso die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Zur Unterstützung eines hohen Maßes an Integrität ist es nicht zuletzt auch ihre Aufgabe, mit ihrer Arbeit für ein nachhaltiges Wirtschaften einzutreten, das die natürlichen Lebensgrundlagen auch für nachfolgende Generationen dauerhaft sicherstellt. Auch für sie sollte die von Rupert Lay genannte Biophilie-Maxime gelten: »Handle stets so, dass durch dein Handeln fremdes und eigenes personales Leben eher gemehrt als gemindert wird«. Wir erleben derzeit eine schwierige Phase in Wirtschaft und Gesellschaft, die auch den Markt der Weiterbildung zu neuen Überlegungen zwingt. Zunehmende Globalisierung verändert die Gesellschaft in einem kaum zu übersehenden Ausmaß. Einschnitte ins soziale Netz beunruhigen viele Menschen; sie reagieren empfindlicher, und der Ruf nach mehr Gerechtigkeit wird lauter. Es ist festzustellen, dass die Diskussion ethischer Belange zunimmt und die Fragen nach den uns leitenden Werten häufiger und deutlicher gestellt werden. Zu letzterem ist auch die Schaffung von ethischen Rahmenbedingungen zu verstehen, wie sie im »Berufskodex für die Weiterbildung« formuliert wurden.
Literatur
Endbericht der Enquete-Kommission »So genannte Sekten und Psychogruppen«, (Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/10950 v. 09. 06. 98)
Entwurf zum Gesetz über Verträge zur Lebensbewältigungshilfe und Persönlichkeitsentwicklung, (LeBeG) www2.justiz.bayern.de/_gesetzgebung/index.htm
Forum Werteorientierung in der Weiterbildung e.V. (FWW) www.forumwerteorientierung.de
Dachverband der Weiterbildungsorganisationen e.V. (DVWO) www.dvwo.de
Rupert Lay, Charakter ist kein Handicap. Stuttgart 2000
Lünendonk, Weiterbildungsmarkt Deutschland 2001 www.luenendonk.de
Klaus Dannenberg war seit 1979 erfolgreich als Verhaltenstrainer, Coach und Unternehmensberater tätig. Der gelernte Industriekaufmann engagierte sich viele Jahre im “Dachverband der Weiterbildungsorganisatione DVWO und im “Trainertreffen Deutschland” und verfügte über zahlreiche Kontakte zu Weiterbildnern und Unternehmenern.
Email : info@forumwerteorientierung.de
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